Am Freitag, dem 17. Januar, hat die Sozialdezernentin Milena Löbcke zusammen mit dem Amt für Zuwanderung und Integration und dem Hessischen Flüchtlingsrat ein wegweisendes Beratungsprojekt vorgestellt, das als Ziel hat, Menschen ohne gesicherten Aufenthalt durch Integration in den Arbeitsmarkt eine aufenthaltsrechtliche Perspektive zu bieten. Dieses neue, kommunal geförderte Projekt ist eine notwendige Initiative in einer Zeit, in der Migration und Integration oft kontrovers diskutiert werden und für viele Menschen im Ungewissen bleibt, welche Zukunft ihnen bevorsteht.
In Wiesbaden leben derzeit etwa 180 Personen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus, bei denen eine Rückführung nicht möglich ist. Zudem sind rund 738 Personen in der Stadt, die auf den Abschluss ihres Asylverfahrens warten und möglicherweise von der neu eingeführten Regelung des sogenannten „Spurwechsels“ Gebrauch machen könnten. Diese Regelung ermöglicht es bestimmten Asylbewerbern, unter bestimmten Voraussetzungen in den Arbeitsmarkt integriert zu werden, was eine realistische Perspektive auf einen gesicherten Aufenthalt bietet. Jedoch sieht das bestehende Gesetz nur wenige Angebote zur Qualifizierung und Beschäftigung für diese beiden Gruppen vor. Das innovative Beratungsprojekt „Arbeitsmarkt- und Integrationsberatung für Geduldete und Gestattete“ zielt darauf ab, diesen Mangel zu adressieren und den Betroffenen durch qualifizierte Beratung Zugang zu Arbeitsmöglichkeiten zu verschaffen.
Die rechtlichen Hürden, denen sich viele Menschen in dieser Situation gegenübersehen, sind oft sehr komplex. Diverse sogenannte „Bleiberechtsregelungen“ im Aufenthaltsgesetz bieten zwar theoretische Möglichkeiten zur Verfestigung des Aufenthaltsstatus bei erfolgreicher Integration in den Arbeitsmarkt, die praktische Umsetzung gestaltet sich jedoch meist als äußerst schwierig. Eine Kombination aus rechtlicher Beratung und sozialpädagogischer Begleitung, die durch einen freien Träger organisiert wird, soll den Betroffenen helfen, diese Hürden zu überwinden. So wird eine Brücke zu potenziellen Arbeitgebern geschlagen und gleichzeitig rechtliche Fragestellungen geklärt.
Milena Löbcke, die Integrationsdezernentin, machte in ihrem Statement deutlich, dass die öffentliche Wahrnehmung über die Realität von Menschen mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus oft unzureichend ist. Sie erklärte: „Die politischen Debatten zur Migrationspolitik werden spannend und oft emotional geführt. Dabei wird die Tatsache ignoriert, dass viele Personen mit einer Duldung, die faktisch eine Aussetzung der Abschiebung bedeutet, auf ungewisse Zeit in Deutschland bleiben müssen. In Wiesbaden betrifft das etwa die Hälfte der Menschen, die im Status einer Duldung leben. Diese Personen sind mit massiven Herausforderungen konfrontiert, und unser Projekt ist ein Schritt nach vorn, um ihre Situation zu verbessern.“
Das Projekt orientiert sich an einem sehr erfolgreichen Modell aus Köln und soll dazu beitragen, die berufliche und rechtliche Perspektive der Betroffenen zu verbessern. „Wir sind zuversichtlich, dass dieser neue Ansatz in Wiesbaden Früchte tragen wird“, fügte Löbcke hinzu und betonte die Wichtigkeit, auch Menschen zu unterstützen, die sich noch im Asylverfahren befinden.
Die Ausländerbehörde, die dem Amt für Zuwanderung und Integration unterstellt ist, spielte eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des Projektes und der Identifizierung der Zielgruppe. Amtsleiterin Jeanine Rudolph erklärte: „Menschen ohne sicheren Aufenthaltsstatus benötigen oft überproportionale Ressourcen seitens der Verwaltung, ohne dass sie effektiv geholfen werden kann. Durch die interdisziplinäre Beratung bei einem freien Träger sehen wir eine wertvolle Ergänzung, die den administrativen Druck senkt und den Betroffenen gleichzeitig die Aufmerksamkeit zukommen lässt, die sie verdienen.“
Ein Blick auf die Erfahrungen aus Köln zeigt, dass die Integration von Menschen mit Duldung nicht nur humane, sondern auch volkswirtschaftliche Vorteile mit sich bringt. Dort wurde ermittelt, dass die erfolgreiche Vermittlung in ein gesichertes Aufenthaltsrecht der Stadt Köln jährlich Einsparungen von im Schnitt 9.000 Euro pro Person einbringt. Diese finanziellen Einsparungen addieren sich zu einer beachtlichen Summe, was den kommunalen Haushalt entlastet und gleichzeitig die Lebensrealität der Betroffenen verbessert.
Der Hessische Flüchtlingsrat wurde aufgrund seiner Expertise in der Bleiberechtsberatung und Arbeitsmarktintegration als geeigneter Träger des Projekts ausgewählt. Timmo Scherenberg, Geschäftsführer des HFR, unterstrich die Vorreiterrolle des Projekts in Hessen und die Chancen, die sich aus der Unterstützung von Geflüchteten und Geduldeten ergeben. „Wir sind optimistisch, dass wir mit unserer Erfahrung und Kenntnis der Herausforderungen, die diese Zielgruppe hat, eine wertvolle Unterstützung bieten können“, so Scherenberg.
Das Projekt wurde am 18. Dezember 2024 von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen und wird vorerst auf drei Jahre befristet aus den Mitteln des Amtes für Zuwanderung und Integration finanziert. Durch diese Initiative wird ein wichtiger Schritt in Richtung einer gerechten und integrativen Gesellschaft gemacht, in der auch Menschen ohne gesicherten Aufenthalt eine Chance auf eine bessere Zukunft erhalten.