**Presseinformation zur 4. Stolpersteinverlegung am 11. Februar 2025**
**„Es gab zuweilen eine mörderische Nachbarschaft“
„Wen man nicht mochte, der wurde möglichst ausgerottet.“**
Der Historiker Prof. Dr. Manfred Grieger lässt in seinen Ausführungen zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus kein gutes Haar an der Vergangenheit. „Es geht nicht nur um bekannte Persönlichkeiten, die in die Geschichtsbücher eingegangen sind, sondern auch um die Menschen aus unserer unmittelbaren Nachbarschaft, die unter dem nationalsozialistischen Regime zu Opfern geworden sind“, stellt er fest. Im Rahmen der bevorstehenden Stolpersteinverlegung am 11. Februar 2025 werden in einer neuen Broschüre sieben Schicksale näher vorgestellt, die Prof. Dr. Grieger zusammen mit engagierten Mitgliedern der Arbeitsgruppe Stolpersteine und dem Team des Gifhorner Stadtarchivs sorgfältig recherchiert und aufbereitet hat.
Diese Verlegung ist nicht nur ein Symbol des Gedenkens, sondern auch ein bewusstes Zeichen gegen das Vergessen. Stolperstein-Initiator Gunter Demnig wird in Gifhorn und Kästorf insgesamt sieben weitere Stolpersteine verlegen, was die vierte Veranstaltung dieser Art in Gifhorn darstellt. Die stolze Tradition des Gedenkens wird durch die Biography und die Stimmen der letzten Zeitzeugen lebendig gehalten.
Im Schlosshof von Gifhorn werden fünf Stolpersteine zu Ehren jener Männer und Frauen verlegt, die zwischen 1933 und 1944 im Gerichtsgefängnis des Gifhorner Schlosses aufgrund ihrer politischen Haltung oder kritischen Äußerungen in Schutzhaft genommen wurden. Diese Schicksale sind exemplarisch für eine Zeit, in der die Meinungsfreiheit stark eingeschränkt und verfolgt wurde. Darüber hinaus widmen sich zwei weitere Stolpersteine auf dem Gelände der Diakonie Kästorf dem Gedenken an zwei Bewohner des ehemaligen Erziehungsheims Rischborn, die während der NS-Zeit Opfer von Zwangssterilisationen wurden. „Die Auswahl der Biografien erfolgte zwar zufällig, doch reflektiert sie die vielfältigen und oft tragischen Geschichten der nationalsozialistischen Verfolgung“, erklärt Grieger, der das gesammelte Wissen als notwendige Aufarbeitung der Geschichte sieht.
Mit der Verlegung wird auch der zunehmend interessierten Jugend Rechnung getragen. „Die Geschichte der Verschwundenen hat einen wichtigen Platz in unseren Schulen. Immer wieder fragen Klassen nach diesen Geschichten“, berichtet Dr. Steffen Meyer von der Diakonie. Rund 100 Schülerinnen und Schüler werden sich in diesem Jahr an der Stolpersteinverlegung im Innenhof des Schlosses beteiligen.
„So bleibt Geschichte nachvollziehbar und auch erlebbar“, betont der Bürgermeister Matthias Nerlich. Hinter den Zahlen und Statistiken stecken Einzelschicksale, deren Erforschung oft eine mühsame Aufgabe ist. Heike Klaus-Nelles, die Leiterin des Stadtarchivs, erläutert: „Es ist eine ständige Herausforderung, die Geschichten der Verfolgten aufzudecken. Wir durchforsten Archive und stellen schriftliche Anfragen, wobei manchmal die Suche vergeblich ist.“ Dennoch ist der Kontakt zu den Nachkommen und das Finden von alten Fotografien von unschätzbarem Wert für die Dokumentation. „Eine Familie aus Braunschweig hat uns ein Hochzeitsfoto zur Verfügung gestellt, das als eines der wenigen existierenden Fotos gilt“, bemerkt sie.
Die Dokumentation der Stolpersteine ist jedoch mehr als nur eine zeitgeschichtliche Aufarbeitung. Willy Knerr, ehemaliger Ratsvorsitzender und aktives Mitglied der Arbeitsgruppe Stolpersteine, warnt vor der Gefahr des Schweigens: „Sogenannte Schutzhaft war oft nur ein Euphemismus für die willkürliche Inhaftierung von Menschen. Das Verschweigen dieser Taten führt nur dazu, dass die Geschichte keiner mehr in ihrer vollen Tragweite erkennt.“
Ein besonderer Programmpunkt findet am Vortag der Verlegung statt: Am Montag, den 10. Februar 2025, um 18:30 Uhr, hält Gunter Demnig im „Mehrgenerationenhaus Omnibus“ (Steinweg 20) einen Vortrag über das Stolpersteine-Projekt. Der Eintritt ist frei, eine vorherige Anmeldung unter Dr.Steffen.Meyer@dachstiftung-diakonie.de oder telefonisch unter 05371 721-212 wird jedoch erbeten.
Die Stolpersteinverlegung am 11. Februar 2025 im Innenhof des Schlosses ist für 9 Uhr angesetzt. Im Anschluss erfolgt die Verlegung der Stolpersteine in Kästorf. Interessierte können die neue Stolpersteinbroschüre, die wichtige Informationen und Geschichten der Gedenkstätten enthält, ab nächster Woche im Stadtarchiv und in der Stadtbücherei erwerben. Zudem wird die Broschüre online auf der Website der Stadt Gifhorn bereitgestellt, um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen und das Bewusstsein für diese bedeutende Gedenkaktion zu stärken.