
Die Schatten der Geschichte: Erinnern, Aufarbeiten und Mahnen
Dr. Christian Bremen beleuchtet in einem bewegenden Gedenkabend die Verantwortung der Täter und präsentiert sein Buch ‚Geraubte Heimat‘ über die jüdische Gemeinde Hoengen.Im Rahmen eines eindrucksvollen Gedenkabends im Sitzungssaal des Alsdorfer Rathauses hat Dr. Christian Bremen, ein renommierter Historiker der RWTH-Aachen, die Bedeutung der Aufarbeitung historischer Schuld hervorgehoben. Anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz betonte er, dass Erinnerungsarbeit nicht nur eine Angelegenheit der Opfer sein sollte, sondern auch bei den Tätern beginnen müsse. Diesen Schwerpunkt setzte Bremen in einem Vortrag, der von zahlreichen Zuhörern besucht wurde.
Präsentation eines bewegenden Buches
Der Abend diente auch der Vorstellung von Dr. Bremens neuestem Buch, „Geraubte Heimat – Die Geschichte der jüdischen Landgemeinde Hoengen“. In diesem Werk verfolgt er die Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Hoengen und wirft einen kritischen Blick auf diejenigen, die ab 1933 zu Verfolgern und Mittätern wurden. „Häufig aus Karrieredenken heraus gab es ab 1933 schnell sehr viele, die in Hoengen der neu gegründeten NSDAP-Ortsgruppe beitraten“, erläuterte Bremen.
Bremens Buch nennt die Namen derjenigen, die jüdischen Kaufleuten und Arbeitern ihre wirtschaftliche Existenz nahmen, sie bedrohten und schlugen. Diese Vorgänge fanden vor den Augen der gesamten Bevölkerung statt, und viele jüdische Bürger verloren alles – von ihrem Vermögen bis zu ihrer Würde. Die Älteren der jüdischen Gemeinschaft blieben in der Hoffnung, das nationalsozialistische Regime werde bald enden, ein fataler Irrtum, der in der Reichspogromnacht des 10. November 1938 auf schreckliche Weise offenbart wurde.
Der Umgang mit der Vergangenheit
Jana Blaney, Leiterin der Volkshochschule Nordkreis, und Dr. Stephan Saffer, der zweite Vorsitzende des Alsdorfer Geschichtsvereins, unterstützten den Abend als Veranstalter. Sie betonten die Notwendigkeit, auch heute noch die Namen der Täter zu nennen, insbesondere in Zeiten eines neuen Erstarkens des Rechtsextremismus.
Die Veranstaltung wurde durch die Anwesenheit von Nachfahren der ehemaligen jüdischen Gemeinde in Hoengen bereichert. Evie Shvetz-Keller, ihre Tochter Elizabeth Lowy-Shvetz und Schwiegertochter Nadja Raver reisten aus den USA an. Auch Sandra Yaron und ihr Sohn Noah aus Düsseldorf sowie Dr. Tamar Leventer aus Düsseldorf mit ihrer Tochter Orly aus München nahmen teil.
Lebendige Erinnerungen und persönliche Geschichten
Die Veranstaltung bot auch Raum für Stimmen aus den umliegenden Gemeinden. Jürgen Herrmann, ein Bürger aus Warden, erzählte von der jüdischen Familie Lucas und ihrer Integration in die Dorfgemeinschaft, die sie dennoch nicht vor der Shoah bewahrte. Trotz des Schweigens über jüdische Familien nach dem Krieg sind ihre Häuser vielen älteren Wardener Bürgern weiterhin bekannt.
Eine besondere Note erhielt der Abend durch Heinrich Plums persönliche Geschichte. Er berichtete von einem alten Brief einer jüdischen Frau, Jenni Levy, den er in jungen Jahren im Nachlass seiner Mutter fand. Trotz der anfänglichen Schweigsamkeit seiner Mutter über Levy fand Plum heraus, dass sie mit ihrem Mann vor dem Krieg nach Jerusalem ausgewandert war. Dies führte 1982 zu einem bewegenden Briefkontakt. Levy schrieb, dass sie bei diesem Lebenszeichen aus der alten Heimat in Tränen ausbrach, was die emotionalen Narben einer erzwungenen Vertreibung verdeutlicht.
Abschließend resümierte Plum: „Das muss heute eine Mahnung für uns sein, es verdammt noch mal besser zu machen!“



