In der malerischen Umgebung der Bibi am See versammelte sich die Q2 der Gesamtschule GSW, um den Opfern des Nationalsozialismus zu gedenken. Diese Veranstaltung bot den Schülerinnen und Schülern nicht nur die Gelegenheit, sich mit einem düsteren Kapitel der deutschen Geschichte auseinanderzusetzen, sondern auch einen zeitgeschichtlichen Kontext zu verstehen, der bis in die Gegenwart reicht. Der ehemalige Geschichtslehrer Uli Hengemühle, der mittlerweile als Buchautor in Reken tätig ist, übernahm die Ehrung mit einer Auswertung von historischen Feldpostbriefen, die aus dem Raum Reken stammen. Insbesondere widmete er sich den Schicksalen der Rekener Zwillinge Bernhard und Heinrich Kipp, die exemplarisch für viele Jugendliche stehen, die in der Zeit des Nationalsozialismus aufwuchsen.
Während Hengemühle die Lebensgeschichte der Kipps nachzeichnete, nahm er die Zuhörer mit auf eine Reise in die Vergangenheit. Er erklärte, wie die Brüder in einem obrigkeitsstaatlichen Kaiserreich aufwuchsen, das bereits den Boden für die Ideologie des Nationalsozialismus bereitet hatte. Nach dem Machtwechsel 1933 durchliefen sie die verschiedenen NS-Jugendorganisationen, die nicht nur eine politische Indoktrination anstrebten, sondern auch die Loyalität gegenüber dem Regime stärkten. Die Kipps, so Hengemühle, wurden in eine Welt hineingeboren, in der der Druck der Gesellschaft und die Zugehörigkeit zu einer Organisation als erstrebenswert galten – Aspekte, die eine kritische Auseinandersetzung über die Ideologie und die praktischen Konsequenzen oftmals verhinderten.
Ein besonders bewegender Punkt der Präsentation war die Tatsache, dass die beiden Zwillinge 1943, im Alter von nur 26 Jahren, an der Ostfront in Russland fielen. Hengemühle stellte in seinem Vortrag klar, dass es für die Kipps zu keinem Zeitpunkt deutlich war, was sie eigentlich an der Front sollten. Durch diese Feststellung stellte er einen direkten Zusammenhang zu Themen wie Desinformation und Verblendung her, die nicht nur im Nationalsozialismus, sondern in jeder Form von Kriegsführung eine Rolle spielen.
Die Reflexion über das Schweigen vieler Zeitgenossen und die unkritische Übernahme nationalsozialistischer Rassenideologien durch die Jugend der damaligen Zeit waren zentrale Themen der Diskussion. Hengemühle betonte die Bedeutung kritischen Denkens und der persönlichen Verantwortung, um aus der Geschichte zu lernen. Die Schüler der Q2, die in angeregten Gesprächen ihre Gedanken und Erkenntnisse austauschten, zeigten sich erstaunlich gut informiert über die Thematik. „Die Schüler haben sehr kenntnisreich diskutiert und lobenswerte Werthaltungen gezeigt“, resümierte Hengemühle, sichtlich beeindruckt von der diesjährigen Abiturientia der GSW.
Die Veranstaltung in der Bibi am See war daher nicht nur eine Gedenkfeier, sondern auch eine Lehrstunde über die Gefahren von Ideologien und die Notwendigkeit, die eigene Geschichte fortwährend kritisch zu hinterfragen. Das Engagement der Schüler und die tiefgreifenden Gespräche zeigen, dass die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit auch heute noch von entscheidender Bedeutung ist, um eine Wiederholung solcher Gräueltaten in der Zukunft zu verhindern. In Zeiten, in denen Antisemitismus und Rassismus wieder verstärkt auftreten, ist eine solche Gedenkveranstaltung umso wichtiger, um junge Menschen für die Gefahren von Vorurteilen und Hetze zu sensibilisieren.